4000er mit Tuchfühlung

4000er mit Tuchfühlung

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Veras erster 4000er nach 20 Jahren – und dieses Mal war noch etwas mehr Tuch im Gepäck….

Als ich mit dem Flugschein liebäugelte, war ich noch zu jung für den Schein. Irgendetwas in den Bergen machen mochte ich als junge Teenagerin aber dennoch. Denn der Bergvirus hatte mich mit 14 Jahren schwerstens erwischt. Also belegte  ich mit 15 meinen ersten hochalpinen Kurs – und verliebte mich in die gefrorene Gletscherwelt.

Fliegen lernen kann man ja noch etwas später, wenn die Knie kaputt sind zum Runtergehen… Den Flugschein habe ich dann aber doch noch vor der Teilinvalidität gemacht. Zu sehr reizte mich das Ganze. (Laut meinen Eltern habe ich als Kind schon ganz aufgeregt gequietscht, wenn ich einen Schirm in der Luft sah). Viel in den hohen Bergen war ich dann auch nicht mehr, es kamen die Wettkämpfe dazwischen, das Messen nach außen, Klettern nach Schwierigkeitsgraden – Verletzung und Bandscheibenvorfälle.

Manchmal kommt dann irgendwann aber der Moment in einem Leben, an dem man sich besinnt auf die Dinge, die man wirklich, wirklich machen möchte – egal ob das nach außen vielleicht besonders cool ist oder nicht. Man will es aus dem innersten einfach machen, Punkt. Was das ist, kann man gar nicht wirklich beeinflussen und es ist bei jedem etwas ganz anderes. Meiner Erfahrung nach macht es am allerglücklichsten, wenn man das dann durchzieht. Für mich sind das u.a. über spezielle Orte, Berge oder Dinge zu FLIEGEN, um sie von oben zu betrachten und zu erfahren. Ein ganz besonderer Moment war es für mich, als ich über einen Gletscher fliegen durfte. Als ich vergangene Jahr mit Tamara zum  ersten Mal über einen Gletscher flog, habe ich geheult wie eine Schlosshündin. Komisch, nicht?

Das gehörte wiederholt (ein Gletscherflug nicht unbedingt das Geheule) und mit Gerald Kernstock fand ich einen erfahrenen hochalpinen Hike & Flyer, der mich mitnahm ins Wallis, einem der  letzten Ort von einigermaßen vorhandenen Eisflächen in den Alpen.

Denn das Eis schmilzt in rasanter Geschwindigkeit und in 50 Jahren wird in Österreich nicht mehr viel übrig sein vom ach so “ewigen“ Eis…

Im Gepäck hatte ich einen IBEX 3 15  (DANKE an Toni Bender) und das Montis String-Gurtzeug, sowie einen 1,5 kg Leichtretter. Mit der sonstigen Ausrüstung kam ich auf ca 12- 13 kg, die über leichte Grate gewuchtet werden wollten, kein ganz leichtes Unterfangen für ein knapp 50 kg leichtes Mädel. Aber am Königsjodler-Klettersteig am Hochkönig habe ich ja bereits dafür trainiert…

Was ich als Wiedereinsteigerin total unterschätzte, war die Höhe. Denn unsere zweite Nacht in der Schweiz verbrachten wir bereits auf dem aussichtsreichen Mischabel-Biwak auf 3800 m. Das ist eine Art Selbstversorgerhütte in einem Sattel vis à vis von Matterhorn und Co. Eine wunderschöne Aussicht hat es dort, wenn man sie denn genießen kann…

Ja, das da hinten ist das Matterhorn.

 

Ganz hinten im Sattel befindet sich das Mischabel-Biwak.

Der here Plan wäre die Täschhorn-/Dom-Überschreitung gewesen, eine sehr lange und anspruchsvolle Tour für mich… Aber die Aussicht vom Dom zu fliegen, machte mich motiviert bis in die Haarspitzen, trotz Anpassungsproblemen, vielleicht würde es ja wieder besser.

Um drei Uhr Früh sitze ich aber immer noch da, mit meinen Höhen bedingten Zuständen, Kopfweh und Übelkeit, dazu kommt jetzt aber noch ein lascher Muskeltouns und flattrige Nerven. Ich kapituliere, zu gefährlich und riskant scheint es mir in einem solchen Zustand weitere 500 Hm hinauf zu klettern. Nach ein paar weiteren Schlafstunden stehen wir gemütlich auf und kraxeln schnaufend auf den Alphubel direkt daneben. Das der Sauerstoffmangel leicht zu Fehlern führen kann, darf ich auf glimpfliche Weise mit einem dreistufigen Köpfler aus einer ganz leichten Kletterstelle erfahren.

Nur blaue Flecken – abschütteln und weiter, danke, puhhhh ab jetzt für immer besser Aufpassen! Oben angelangt, bläst uns der Wind um die Ohren, dass mir der Hasenfuß durchgeht und Gerald ordentlich in der Trickkiste kramt, um mich zum Start zu motivieren („Bei DEM Wind ist die Tami sogar mit dem Ion raus“ – „na, dann!…“). Da diese Saison dankenswerter Weise IMMER der Wind auf gewünschte Weise blast, wenn ich starte, flaut er für mich dann aber richtig komod ab. Ein wenig links-rechts getänzelt – und ich bin draußen mit meinem rundum-sorglos-Paket IBEX…

BAH, WIE GEIL! Vier Stunden Abstieg erspart! Unter mir tun sich die Spalten auf und mir fehlen jetzt die Worte, um das Ganze zu beschreiben. Ich gleite über etwas sehr Erhabenes , eine graue Fläche die mit tiefen Linien durchsetzt ist. Scheinbar still, aber immer in Bewegung bis zur Auflösung ins flüssige Nass. Ich mache an einem Grat etwas Höhe und warte auf Geri, wähend ich unsere Aufstiegsspur betrachte. Angenehm schaukel ich im Montis. Ich fühle mich pudelwohl und bin auch etwas stolz auf mich. Hatte ich bereits erwähnt, dass wir uns gerade einen stundenlangen Abstieg ersparen?

Kurz vor der Landung in Täsch macht es aus dem Nichts einen riesigen Raschler über mir. Ich sehe aus dem Augenwinkel einen erbosten Steinadler über meinem Schirm hinweg fliegen. Verd.… Er hat mich von oben angegriffen und dem Schirm derartige Löcher zugefügt, dass ich wie auf rohen Eiern etwas zittrig zur Landung ansetzte. OIDA….MUSS das sein?

Toni rät übrigens einen Frontstall zu ziehen, falls man den Vogel vorher kommen sieht. Geri landete bereits vorher auf der Alm oberhalb und bleibt von Adlers Launen verschont.

Depp! Im August….sonst sind sie immer so freundlich….

Das Wetter wird instabiler und uns gelingt nach zwei Ruhetagen eine weitere schöne Tour im echten Westalpenstil:

1700 hm Hüttenaufstieg von Saas Fee Boden auf die Mischabel-Hütte (mit köstlichem, frischen Essen), 3 Uhr früh aufstehen und los kraxeln unterm Sternenzelt. Ich bin ja absolut keine Morgensportlerin, aber in so einer Szenerie sind meine Knochen gar nicht müde, und ich genieße jeden Moment. Nach zwei Stunden geht die Sonne auf. Dem Geri ist etwas kalt, aber er muss kurz still halten für ein Morgenröte-Portrait und ein paar Landschaftsaufnahmen mit meiner neuen kleinen Sony RX 100/4.

Wir sind mittlerweile gut akklimatisiert und bewegen uns stetig in Richtung Nadelhorn. Wegen frischen Schneefalls haben wir uns für den Normalweg entschieden und verzichten auch auf eine weitere Überschreitung bis zur Lenzspitze. Ein wenig kurzweiliges, kombiniertes Klettergelände ist dennoch dabei und einen Abstecher zum Stecknadelhorn gönnen wir uns auch noch.

Am Gipfel des Nadelhorns ist nicht viel Platz….

 

Im Hintergrund wartet schon er nächste Gipfel, das Stecknadelhorn.

 

Der Grat zum Stecknadelhorn mit leichter Kraxelei am Seil

 

Der Dom! Next project! Da ist noch richtig viel Eis zum drüber fliegen….

 

Blick zu unserem Startberg dem Ullrichshorn

Heute ist Gipfel-Hopping angesagt und der dritte wird auch unser Startberg, das Ullrichshorn. Ein moderat steiles Schneefeld, der Schirm rutscht ein wenig, aber für die steigeisenlosen Schuhe reicht der Grip. Wieder perfekter Wind obwohl 40er Böen angesagt waren…..Die GoPro funktioniert dieses mal auch im Flug und wieder entspanntes Aufatmen und Genießen und Schauen und Fotosmachen. Um ca 14 Uhr  stehen wir im Tal und haben schon einen langen Tag hinter uns…und Hunger…

Blick vom Ullrichshorn auf das Nadelhorn links und dem kleinen Stecknadelhorn eines weiter rechts.

 

Der Wind bläst moderat und es ist auch nicht so heiß wie im Tal, perfect place to be.

 

Blick zum Startberg, knapp 2000 hm Abstieg erspart…

 

 

Das einzig Beständige ist die Veränderung.

Aufgrund des Wetters treten wir am nächsten Tag schon eine verlängerte Heimreise an: Geri fliegt vom Furkapass nach Andermatt und ich darf einen wunderschönen Flug (mit ein bissl Geheul) vom Oberalbpass nach Flims genießen.

Und die Moral von der Geschicht: I am adiccted again und da stehen noch so viele weitere hohe Startplätze herum….

#liveyourdreams, #jedemseintick, #whatyourdream? #novaparagliders #novaibex

 

Die Links zu den Flügen:

https://www.xcontest.org/austria/fluge/fluginformationen:VeraPolaschegg/12.08.2018/10:00

https://www.xcontest.org/austria/fluge/fluginformationen:VeraPolaschegg/15.08.2018/11:34

https://www.xcontest.org/austria/fluge/fluginformationen:Alpinnomade/16.08.2018/09:04

https://www.xcontest.org/austria/fluge/fluginformationen:VeraPolaschegg/16.08.2018/12:21

 

P.S.: Wer sich für den Alpenschutz interessiert, dem möchte ich gerne das einzigartige Projekt eagelwings-project vorstellen. Dabei werden u.a. Fotos aus der direkten Adlerperspektive von Gletschern gemacht: https://www.eaglewings-project.org

Mit diesem einzigartigen, multimedial angelegten Alpenschutz-Projekt, möchten Nomi Baumgartl (eine renommierte Fotokünstlerin) und Ihr Team Menschen faszinieren, sie berühren und dafür begeistern, ein neues Bewusstsein für die wahren Werte der Natur zu entwickeln. Sie möchte Menschen mit ihrem Projekt, in dessen Fokus die verschwindenden Alpengletscher stehen, dazu motivieren, sich aktiv einzubringen und durch eigene positive Erfahrungen offen für die Belange des Natur-, Umwelt-, Klima- und Artenschutzes zu werden.