CROSSALPS 2010 – Till’s Report (in German only)

CROSSALPS 2010 – Till’s Report (in German only)

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Taktikspiele und der Außerirdische

Samstag Abend: Landung in Söll nach einem sauguten Flugtag!

Samstag Abend: Landung in Söll nach einem sauguten Flugtag!

Dieses Jahr fanden die Crossalps zum fünften Mal statt. Und für alle, die nicht wissen, was sich dahinter versteckt, hier die Info in Kürze (alle anderen sollen halt zwei Absätze „springen“): Die Crossalps sind ein Wettbewerb, bei dem man nur zu Fuß gehen oder Gleitschirm fliegen darf. Aber anders als bei den legendären X-Alps geht es nicht darum, in möglichst kurzer Zeit von A (wie Salzburg) nach B (wie Monaco) zu kommen. Stattdessen hat man von Samstag Morgen 8 Uhr bis Sonntag Nachmittag 17 Uhr Zeit, sich möglichst weit von Grainbach am Fuß der Hochries fortzubewegen – und auch wieder zurück zu kommen. Macht 33 Stunden.

Es ist also eine schöne taktische Angelegenheit: Wie weit traue ich mich am ersten Tag zu fliegen und schaffe es dennoch ohne allzu viel Stress, am Sonntag auch wieder heimzukommen. Hirn geht dabei vor Lunge und Beinen…

Noch ein paar Ergänzungen zu den Regeln:
– Wer rechtzeitig heimkommt, wird mit einem Punktebonus von 20 % belohnt.
– Wer zu spät kommt, bleibt in der Wertung, und die Entfernung vom 17 Uhr-Standpunkt nach Grainbach wird von der gewerteten Strecke abgezogen.
– Die komplette Ausrüstung muss getragen werden – auch ein Gurtzeug mit Airbag und ein Rettungsschirm.
– Nach Sonnenuntergang und vor Sonnenaufgang darf man nicht fliegen – wandern aber schon (was einige der Teilnehmer dieses Jahr VOLL ausnutzen, die Wahnsinnigen).
– Die Mindestflugstrecke muss 20 % der insgesamt zurückgelegten Strecke betragen (letztes Jahr war das Wetter so beschissen, dass mir das nicht gelang). In diesem Fall werden dann einfach die Flugkilometer – aber nur jene in direkter Linie zwischen Grainbach und dem Wendepunkt – als Basis genommen und mit 5 multipliziert).

Alles klar?

Dieses Mal verspricht uns der Wetterbericht richtig gutes Flugwetter. Erfreulich: Alptherm und Stefan Hörmann von Gleitsegelwetter.de sind sich ungewöhnlich einig. Wenn das bei „uns“ so ist – ich lebe im Chiemgau, genieße bei den Crossalps sozusagen einen Heimvorteil – stimmt die Prognose mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit. Das heißt also für Samstag: Gute bis sehr gute Thermik, ordentlich hohe Basis, keine Gewittergefahr. So weit, so sehr gut. Aber dazu auch: Wind um Nord, der im Laufe des Tages vom Bayrischen Wind (ein thermischer Ausgleichswind, den die Tiroler so nennen weil er halt von Bayern kommt) noch verstärkt wird. Am Sonntag dann hohe Gewittergefahr und wohl schlechte Flugmöglichkeiten. Vorsichtig formuliert sieht es also mit dem Zurückfliegen nicht so ganz optimal aus…

Stellt sich die Frage nach der Taktik: In welche Richtung fliegen? Und wie weit, um auch wieder heimzukommen? Die Optionen:
– Der Alpenrand nach Westen oder Osten scheidet dieses Mal für mich aus. Zu viele Talquerungen beim Fliegen, zuviel Zickzack beim Zurücklaufen.
– Das Inntal sieht zwar recht verlockend aus, weil es groß und meist gerade ist, aber erst mal muss man bis zum Pendling und den weiter westlich gelegene Bergen kommen… Und dann sind jene auch meist stark vom Bayrischen Wind überspült. Nein, das auch nicht.
– Nach Norden ins Flachland auf gar keinen Fall bei Nordwind.
Bleiben also nur zwei ernsthafte Alternativen: Direkt nach Süden Richtung Pinzgau (vielleicht sogar weiter bis ins Zillertal) oder nach Südosten mit grober Richtung Saalfelden, Dientener Berge oder gar Gasteiner Tal.

Mit diesen Gedanken setze ich mich am Tag vor dem Start an den PC. Mangels Ehrgeiz (oder auch Fitness) beschließe ich, dass ich keinesfalls weiter als 60 km laufen will! Lieber sogar nur 40 km… Mit diesen Vorgaben nutze ich die Routing-Funktion der Garmin Transalpin-Topokarte. Ein ganz feines Werkzeug, denn man kann auch auf Wanderwegen routen. Das heißt: eventuellen Landeplatz als Augsangspunkt eingeben und Grainbach als Ziel – und schon zeigt es einem die Karte an, wie viele Kilometer es sind, Höhenprofil auf Click inklusive. Das mache ich dann für eine Reihe von Orten – Lofer, Saalfelden, Kitzbühel, Sankt Johann, Pass Thurn, Zell am See, Westendorf, Zell am Ziller, Taxenbach, Schwaz, Wörgl, Kössen, Jochberg, Fieberbrunn, Kufstein. Und die wichtigsten Routen speichere ich auch gleich auf dem GPS ab.

Samstag Morgen in Grainbach: Noch sind die Füße gut in Schuss...

Samstag Morgen in Grainbach: Noch sind die Füße gut in Schuss...

Meine Ausrüstung besteht dieses Jahr aus einem NOVA Oryx und einem extrem leichten X-Alps Gurtzeug von Karpofly mit einem aufblasbaren Luftprotektor. Geschickt gepackt, passt das ganze in einen 40 Liter Arc’teryx-Rucksack und ist dann so klein, dass ich doch vor dem Start glatt kontrolliert werde. Finde ich aber gut, dass die Veranstalter das machen. Bei aller Liebe zum leichten Equipment sollte die Sicherheit doch vorgehen. Und weil ich das konsequent so mache, nehme ich sogar meinen „schweren“ Charly Insider Integralhelm mit.

Nach einem sehr beschaulichen Start am Samstag Morgen – warum jetzt rennen, wenn man später gut fliegen kann? – zieht die Karawane der rund 80 Starter (mit Tandems) mehr oder weniger geschlossen hinauf zur Hochries. Nur ein paar Mutige gehen weiter Richtung Laubenstein und wohl auch zum Klausen. Darunter auch Chrigel Maurer, der wohl weltbeste Gleitschirmflieger und Gewinner der letztjährigen X-Alps. Der Laubenstein liegt zwar nach Nordosten, aber bei meinen bisherigen drei Morgen-Startversuchen gab er rein gar nichts her. Ich folge den Massen hinauf zur Hochries. Ganz langsam, denn vor 11 Uhr geht dort selten was… Und heute leider auch nach 12 kaum!

Warten auf der Hochries, dass es endlich geht…

Warten auf der Hochries, dass es endlich geht…

Am Laubenstein und am Klausen sehen wir „Hochriesler“ derweil die ersten Piloten aufdrehen und davonfliegen. Verdammt: noch keinen Meter geflogen und trotzdem schon der erste taktisch Fehler… Erst nachdem alte Streckenflughaudegen wie Bocks, Strasser und Schütz an der Hochries starten und sich irgendwie in die Höhe mogeln, traue ich mich auch. Genau im richtigen Augenblick! Nach zwei, drei Mal typisch „hochriesigem“ Soaren geht es solide hinauf und gleich in einem Fünfer- oder Sechserpulk ab nach Südosten.

Beim Klausen steht der vertraute Klausenbart und mit beruhigender Höhe geht es weiter übers Priental, das Mühlhörndl, Wandberg und Rudersburg nach Kössen. Wieder einmal bemerke ich, dass der Oryx für einen 1-2er sensationell gut geht. (Achtung: ich bin der PR-Mann von NOVA und muss so jubeln – aber fragt mal die anderen Piloten mit denen ich nach Kössen querte).
Später erfahre ich, dass in Kössen so einige Piloten (not)landen mussten. Ich zum Glück nicht. Ich komme sogar über Startplatzhöhe an und kann sofort wieder Höhe machen.
Mittlerweile habe ich mich auch für „meinen“ Crossalps Wendepunkt 2010 entschieden: So nahe wie möglich am Wildkogel. Und würde es dort extrem gut gehen, könnte ich ja immer noch weiter ins Zillertal fliegen und dann auch hoffentlich möglichst weit wieder Richtung Inntal heraus.

Südlich vom Unternberghorn stehen am Niederen Kaiser eigentlich immer zuverlässig Bärte. Aber heute nicht – auch nicht bei etwas Rumsucherei… Um nicht zuviel Höhe zu verlieren, fliege ich direkt auf die Südseite des Wilden Kaiser. Das heißt bei Nordwind ins Lee… Und entsprechend sportlich geht es dort auch zu, als ich mich vor der Ackerlspitze nach oben würge. Unter mir kämpft deutlich tiefer und verzweifelt ein Cayenne und kassiert mächtige Klapper. Ich verliere ihn aus den Augen, als ich hinüber Richtung Hartkaser quere und ohne große Probleme weiter zur Choralpe fliege. Außer dem Lee-Gebocke am Kaiser ist es ein richtig toller Flug! Die Basis ist meist hoch genug, um über Grathöhe zu fliegen, und wenn ich nach einer Querung mal drunter ankomme, so geht es zuverlässig dort hoch, wo ich vermute.

Mit dem Nordwind im Rücken nähere ich mich zügig dem Wildkogel, meinem Wendepunkt. Bis ganz hinzufliegen traue ich mich dann aber nicht, denn am Ende des Grates, der von der Choralpe nach Süden führt, steht keine Wolke mehr und es trägt nicht mehr. Ich laufe Gefahr, auf der weiten, welligen Hochfläche zu landen…

Kurzerhand drehe ich um und mache mich auf den Rückweg – jetzt mit dem Nordwind plus bayrischem Wind im Gesicht. Über dem Grat geht leider nichts mehr und so beginne ich mit einem munteren „Rippenreiten“ auf der Westseite. Im Lee herankriechen, durchgeschüttelt werden, dabei kräftig nach unten gespült werden – bis ich nach dem Überqueren der „magischen Linie“ in der Luft plötzlich nach oben gerissen werde. Eine ganz miese Fliegerei! Aber mit viel Geduld und Vertrauen in meinen Oryx würge ich mich Rippe für Rippe nordwärts – bis ich endlich mal wieder richtig zentrieren kann und mit solider Höhe von der Choralpe hinüber zur Hohen Salve quere.

Doch je nähe ich der Salve komme, desto kräftiger bläst mir der Wind aus der Düse mit dem Hartkaser entgegen. Die Höhe schmilzt dahin wie Butter. Schließlich muss ich in dem Sattel nahe dem Beschneiungssee landen. Sofort kommt der Bauer aus seiner Alm auf mich zu… Dieses Mal nicht, um zu schimpfen, sondern um zu erfahren, woher ich denn komme und mir daraufhin etwas zu trinken anzubieten.

der letzte Abgleiter

der letzte Abgleiter

So gestärkt wandere ich vor Richtung Hochsöll, um einen letzten Abgleiter nach Söll zu machen. Dort erwartet mich bereits Nicole, meine Frau und Supporterin. Da wir im Priental wohnen und mir das GPS zeigt, dass es von Söll nur etwa 40 Wanderkilometer bis nach Grainbach sind, entschließen wir uns, zu Hause zu schlafen.

Als ich nach dem wohlverdienten Weißbier im Bett liege und darüber nachdenke, dass da so mancher jetzt gerade durch die Nacht wandert, während ich schon weiß, dass ich es morgen sicher vor 17 Uhr nach Hause schaffe, bin ich sehr zufrieden mit mir und der Welt.

Morgens um 7 Uhr setzt mich Nicole dann wieder in Söll ab und ich schalte den GPS-Logger wieder ein. Über uns flogen schon ein paar Schirme von der Hohen Salve. Wunderbar geroutet von meinen Garmin Dakota 20 laufe ich am Sonntag gen Grainbach. Unterwegs hole ich Lars Budack ein, der schon letztes Jahr unglaublich weit gelaufen ist – und auch jetzt verrät sein Gangbild, dass er bereits länger wandert als ich. Er eiert wie ein Roboter, bei dem die Schmierung nachlässt. Und tatsächlich, er ist die ganze Nacht durchgelaufen. Uuuuaah!

Meine einzigartige, wahrlich famose Supporterin wartet im Wald mit einem Weißbier auf mich!

Meine einzigartige, wahrlich famose Supporterin wartet im Wald mit einem Weißbier auf mich!

Entspannt erreiche ich mit einer Stunde Sicherheitsreserve das Zielzelt an der Hochries-Seilbahn in Grainbach und leute die Glocke. Ich schätze mal ich bin knappe 50 km weit gekommen. Mal 2 plus 20 Prozent Finisher-Bonus macht so die 120 Crossalps-Punkte. Ich bin sehr zufrieden mit mir! Mal sehen wozu es reicht.

Während ich mir ein Zielbier gönne, erfahre ich, dass Chrigel Maurer bereits GESTERN zurück geflogen ist! Sein Wendepunkt lag irgendwo bei Sankt Johann im Pongau – 82,54 km entfernt. Das machte dann 198,01 Crossalps-Punkte. Ich meine, dass der Bursche verdammt gut fliegen kann, war mir klar. Aber das war einfach außerirdisch. Bei der Siegerehrung stellt sich dann heraus, dass Chrigel auch die versammelte einheimische Elite versägt hat! Niemand sonst schaffte es auch nur annähernd zurückzufliegen. Und der Kerl kommt einfach daher und macht uns eine lange Nase.
Aber mit jener kann ich gut leben. Ein toller Flug, kein Stress, jede Menge Spaß, taktisch gute Einteilung und am Ende mit 118,9 Punkten 11. Rang (nur 3 Punkte vom 7. Platz entfernt). Was will ich mehr?!?!

Abschließend ein großes Dankeschön und ein nicht minder großes Lob an bzw. für die Crossalps-Veranstalter und ihre Helfer. Wieder ein super Event, wieder super Stimmung und endlich mal richtig fliegen! Melde mich hiermit schon für 2011 an!

Sehr zufrieden im Ziel-Zelt

Sehr zufrieden im Ziel-Zelt

Tipps für alle „Vielleicht-auch-mal-Mitmacher“
– Sicherheit geht vor Erfolg.
– Versucht, möglichst viel gerade zu fliegen und zu gehen!
– Aber: Ein Umweg OHNE Absaufen ist besser als der gerade Weg MIT Absaufen.
– Mit Hirn fliegen führt weiter als hirnlos rennen!
– Einen persönlichen Wendepunkt setzen, von wo man noch sicher nach Hause kommt.
– Ein guter Supporter hilft nicht nur mit Info, Essen und Trinken, sondern auch durch seine schiere Präsenz.
– Wenn es regnet, unbedingt dem Supporter jede Menge trockene Klamotten, Socken und Schuhe mitgeben.
– GPS klug nutzen! Ich arbeite in einer PR-Agentur und wir machen unter anderem auch die PR für Garmin. Aber auch wenn dem nicht so wäre, würde ich hier guten Gewissens schreiben, das die Garmin Transalpin-Karte und ein geeignetes GPS-Gerät hervorragende Hilfsmittel bei der Planung sind!

Links
http://www.crossalps.com Die offizielle Seite
http://www.nova-wings.com/german/products/oryx.html Infos zum NOVA Oryx
https://buy.garmin.com/shop/shop.do?pID=62690&pvID=63837 Infos zur digitalen Topo-Karte Garmin Transalpin
http://www.vimeo.com/5781355 „Mein“ Video von den Crossalps 2009 unter dem Motto „Warum wandern da Leute mit so großen Rucksäcken durch den Regen?“. Geschnitten hat es übrigens Roli Werner (siehe auch http://outdoor.rolee.net/)