Alles Kopfsache – Mentale Vorbereitung und Einstellung beim Streckenfliegen

Alles Kopfsache – Mentale Vorbereitung und Einstellung beim Streckenfliegen

Next Post Previous Post

Letztes Jahr saßen wir nach einem guten Streckenflugtag beieinander und unterhielten uns darüber wie wichtig „der Kopf“ beim Streckenfliegen ist. Oberkilometerfresser Hans Tockner meinte „Das Streckenfliegen spielt sich zu 100 % im Kopf ab!“

Wir haben dieses Gespräch zu Anlass genommen unseren Team-Piloten folgende Fragen zu stellen:

1. Wie wichtig ist für Dich die mentale Vorbereitung auf einen Flug? Falls sie wichtig ist, was genau tust Du?

2. Wie wichtig ist für Dich die Einstellung / die Psyche während des Flugs? Beschäftigst Du Dich unterwegs „mit dem Kopf”? Wenn ja, wie?

3. Hast Du schon mal ein Mental-Training gemacht? Wie war das?

Wir fanden die Antworten sehr interessant, lesenswert und inspirierend. Aber lest selbst.


Uros Bergant, Slowenien

1. Für mich ist sehr wichtig, dass ich alles schon mal im Kopf geflogen bin, bevor ich es in die Realität umsetze. Ich visualisiere also den erfolgreichen Tag vom Auspacken bis zur Landung am Abend. Ich versuche so, alles Unbekannte und sämtliche Unwägbarkeiten auf ein Minimum zu reduzieren.

2. Zwei Dinge – beide eng verwandt – sind der Schlüssel: Motivation und Fokussierung. Mein Kopf muss frei sein von anderen Dingen. Ich will maximal fokussiert auf meinen Flug und motiviert sein. Der wichtigste Tipp: Mach’ Dir keine Gedanken darüber, wie Du wieder heimkommst!

3. Nicht in organisierter Form, aber praktisch tue ich es häufig, wenn auch nicht unbedingt bewusst oder methodisch.

Wolfgang Bernhard, Österreich

1. Der Unterschied zwischen (streckenmäßig) guten und sauguten Piloten liegt meiner Meinung nach fast ausschließlich im mentalen Bereich. Körperliche Verfassung und Material müssen ohnehin passen.

Ich fliege mögliche Strecken in Gedanken durch und lasse mir bewusst an den Stellen Zeit, die besonders schöne Eindrücke (Alpenhauptkamm, Ridnaun-Talschluss) oder Erfolgserlebnisse (letztes Aufdrehen vor dem Heimgleiten) bieten.

2. Unterwegs frage ich mich: Sind die Verhältnisse OK? Hab’ ich Spaß? Eine Fehleinschätzung in diesem Punkt wirkt sich mental jahrelang aus. Ich weiß wovon ich spreche… Ansonsten habe ich beim Streckenfliegen nur taktisches Zeug im Kopf: Wendepunkte optimieren, Linie, Speed usw.

3. Ja, regelmäßig! Aber das war vor 25 Jahren in meiner aktiven Zeit im Österreichischen Judo-National-Team…

Maria Grazia Crippa (Italien)

1. Ja, das ist sehr wichtig für mich. Ich praktiziere das, was man als „kreative Visualisierung“ bezeichnet. (siehe im englischen Wikipedia unter http://en.wikipedia.org/wiki/Creative_visualization, im deutschen steht dazu wenig).

2. Einstellung und mentale Stärke bedeuten beim Fliegen „alles“! Wenn du dich nicht wohl fühlst, Angst hast oder du darüber nachdenkst, dass du pieseln musst oder es dir zu kalt, zu warm oder sonst was ist – dann wirst du absaufen! Ich versuche möglichst positiv zu denken, z.B. auch „es ist ja nur ein EN B-Schirm. Der ist sicher. Mir passiert nichts.“ Ja, ich bin durchaus ein Angsthase.

Wenn ich eine große Aufgabe fliegen will, zerlege ich mir die Strecke in Einzelteile. Das macht sie besser greifbar. Am ersten Wendepunkt eines Dreiecks denke ich dann „sauber geschafft. Abhaken“. Den zweiten Schenkel sehe ich als neuen Flug, den ich mit neuer Frische beginne. Ich konzentriere mich dann nur auf diesen zweiten Schenkel. Habe ich ihn auch geschafft, buche ich ihn als weiteres Erfolgserlebnis ab. Ebenso auf dem dritten Schenkel. Das Akzeptieren der Schwierigkeiten und der Herausforderungen jedes Abschnittes mache das Erreichen des Ziels umso wertvoller.

3. Als ich aktiv Karate machte, gehört die Visualisierung fest zu unseren Techniken. Ich empfand das als sehr hilfreich. Auch beim Fliegen geht mir das so. Manchmal liege ich im Bett und stelle mir vor wie ich fliege: Ich starte perfekt. Ich fliege graziös, gewandt und entspannt. Ich bin ein Super-Pilot und beherrsche meinen Flügel.

Joe Edlinger, Österreich

1. Eigentlich bin ich generell „gut drauf”. Das ist die beste Voraussetzung für die Entscheidung, überhaupt fliegen zu gehen. In vergangenen, gehirnverkrampften Zeiten meiner Beziehung habe ich mir aber auch nur Entspannungsflüge gegönnt und mir nichts „Großes” vorgenommen. Heute sieht meine „mentale” Vorbereitung so aus: die Phase der Abstimmung mit den Freunden, das gemeinsame Anreisen, das Tratschen über unsere Zauberwelt und genug Schlaf am Vortag.

2. Im Allgemeinen eigentlich nicht. Ich denke nicht bewusst an meine Psyche. Ich bin rein auf das Fliegen konzentriert und denke während des Flugs nie an etwas anderes. An turbulenteren Tagen, nach herausfordernden Situationen bzw. nach „Ausgrabungen” inhaliere ich jedoch förmlich die erste ruhigere Phase an der Basis, schrei’ mir ein paar Mal den Jubel raus. Ich atme ordentlich durch und spüre ganz bewusst, wie Adrenalin und Puls wieder runter kommen. Die wenigen Minuten können für folgende Stunden viel hergeben.

3. Nein, obwohl ich schon öfter an sowas gedacht habe. Ich glaube, da kann man viel dazulernen.

Peter Ertle, Deutschland

1. Außer der normalen Vorbereitung wie Wetter-Check, Material-Check, Uris etc. mache ich nicht besonders viel. Eventuell gehe ich die Strecke geistig durch, stelle mir die Überwindung der Schlüsselstellungen und Optimierungen zum letzten Mal vor. Fluggeilheit und Erfahrung treiben mich durch die Strecken. Ab und zu sage ich mir „geh früh schlafen, um geistig fit zu sein”. Vor lauter Vorfreude klappt dies aber meist nicht.

2. Fit bleiben und genießen: keinen Stress, sondern Spaß haben! Im übrigen bin ich auf den Flug fokussiert: alles beobachten und in die weitere Flugplanung einbeziehen, flexibel denken und auch mal umentscheiden. Am meisten genieße ich den Moment, wenn klar wird, dass ich das Dreieck schließen kann.

3. Nein

Till Gottbrath (Deutschland)

1. A) Das Wichtigste: Ein konkretes Ziel haben! B) Wenn ich gut vorbereitet am Startplatz stehe (viel Schlaf, gute Wetteranalyse, ordentliche Streckenplanung, Zeit, mich ruhig auf den Start vorzubereiten), dann starte ich voller Selbstvertrauen und mit einem guten Gefühl. C) Bestimmte Flüge fliege ich vorher bereits in Gedanken ab – und am PC. Direkt vor dem Start ziehe ich mich oft nochmals für fünf Minuten zurück und stelle mir vor wie nach zehn Stunden und 200 km später glücklich lande. Das habe ich bislang aber nur im Kopf geschafft…

2. Ich schätze 99 % meiner Zeit in der Luft denke ich nur an den Flug. Ich befinde mich maximal im Hier und Jetzt. Aber so ein paar „Sachen“ mache ich dennoch: Ich freue mich über erreichte Zwischenziele (Wendepunkte) und buche sie als Erfolg ab. Ich entspanne bewusst in ruhigen Phasen – körperlich wie geistig. Ich freue mich über schöne Sinneseindrücke. Und wenn ich mich mal ausgraben muss, rufe ich ab, wie ich das früher schon geschafft habe. Bin ich wieder oben, wird das auch als „Erfolg“ verbucht. Und manchmal feuere ich meinen Schirm an: „Los jetzt flieg schon!“ Aber das kommt intuitiv.

3. Nein, aber interessieren würde es mich schon.

Matthias Kirchmayr (Österreich)

1. Die mentale Vorbereitung ist ganz entscheidend für das Gelingen eines langen Fluges. Ich entscheide mich am Vortag des Fluges für eine der Wetterlage angepasste und realistische XC-Route, präge mir die entsprechenden Wendepunkte ein und gehe den ganzen Flug mehrmals mental durch. Ich hatte jedoch auch schon wunderschöne Flüge, bei denen ich mich spontan für eine neue Route entschieden habe (der Windsituation angepasst). In diesem Fall ist es trotzdem wichtig für mich, mir ein Ziel zu setzten (Berge in Flugrichtung, Täler, Orte etc.).

2. Sehr wichtig. „Fliegen ist Kopfsache!“ Nach Klappern oder heftigen Turbulenzen setze ich mich meistens mit meiner Angst auseinander. Ich gehe kurz in mich und überlege mir, ob das Fliegen so noch Spaß macht – oder ob es mir bereits zu viel ist. Je nach Entscheidung gehe ich dann landen oder setzte meine Route fort –  mit voller Motivation!

3. Nein.

Hermann Klein (Deutschland)

1. Für mich steht das Mentale in einer ständigen Wechselwirkung mit körperlichen und äußeren Einflüssen.

  • Planung -> mit geschlossenen Augen Schnelldurchgang -> verinnerlicht! Im Kopf gehe ich oft die bekannten Ketten, Bärte und Talquerungen durch. Mit geschlossenen Augen fliege ich die Strecke im Schnelldurchgang.
  • Viel Zeit und beobachten vor dem Start macht ruhig und konzentriert. Ich sauge den Tag in mich auf.
  • Keine Verpflichtungen! Nur das Heute zählt. Ich befinde mich im Jetzt.
  • Bei guter physischer Vorbereitung kann ich auch die Konzentration länger hochhalten.

Das genaue Gegenteil: Kurzfristig entscheiden, schnell auf den Berg, sofort und ohne Plan rausgehauen, abends verabredet, nach zwei Stunden drückt die Blase.… So wird’s nichts – Mentaltraining hin oder her!

2. Das Selbstvertrauen ist extrem wichtig. Ich habe festgestellt, dass Absaufen zu 99 % durch den Kopf bedingt ist. Wer daran glaubt, findet so gut wie immer Thermik.

3. Nein

Johann Kronberger (Österreich)

Für mich spielt das keine Rolle, ich will einfach raus und den Flug genießen. Die einzige Vorbereitung gilt der Ausrüstung und der Streckenplanung.

.

.

.

Werner Luidolt (Österreich)

1. Die mentale Vorbereitung ist enorm wichtig und die Basis für jeden meiner Flüge! Meine Schlüsselelemente sind: die positive Grundeinstellung, arbeiten mit Glaubenssätzen, die Kraft des Visualisierens, aktives Beobachten und das Anwenden von Entspannungstechniken vor dem Start, um mein System ideal auf den Flug einzustimmen.

2. Ich versuche mich bei einem Flug z.B. bei einer Talquerung bewusst zu entspannen – Geist und Körper. Danach kann alles wieder fließen. Das Ideal ist das Erreichen des “Flow”-Zustandes – ein Gefühl der völligen Vertiefung und des Aufgehens in einer Tätigkeit.

3. Ich habe viele Erfahrungen selbst gemacht und mir mein persönliches System zurechtgelegt, nach und nach konnte ich auch die Hintergründe bei diversen Vorträgen verstehen lernen. Auf alle Fälle will ich mich in diesen Bereich entwickeln und meinen Horizont erweitern.

Roland Mäder (Schweiz)

1. Mentale Vorbereitung ist alles! Ich horche in mich hinein, ob ich für genau diesen Flug bereit bin. Die Lust auf Fliegen ist dabei immer noch zentral.

2. Im Flug arbeite ich halb im bewusst, halb intuitiv an der richtigen Stimmung, um sicher und schnell fliegen zu können. Die Psyche ist auch im Flug das ein und alles.

3. So richtig Mental-Training? Nee. Aber ich nutze zum Beispiel das NOVA Pilots Team bewusst und unbewusst, im persönlichen Kontakt und über alle Kommunikationskanäle, um fürs Streckenfliegen Power zu haben.

Michael Pohl (Österreich)

1. Die mentale Vorbereitung ist für mich wesentlicher Bestandteil der Vorbereitung auf einen XC Flug. Nach dem Wählen der Aufgabe auf Basis der aktuellen Wetterlage, beschäftige ich mich gedanklich intensivst mit dem XC-Flugvorhaben. Dabei nutze ich vor allem die Analyse- und Simulationsfunktionen gängiger Software (z.B. Google Earth oder SeeYou), um den gesamten Flug, vor allem aber die Schlüsselstellen gedanklich im Detail durchzuspielen.

2. Während des Flugs versuche ich, mich voll auf die jeweils unmittelbar anstehenden flugtaktischen Entscheidungen zu konzentrieren (z.B. Wahl der Flugroute auf Basis aktueller Beurteilung von Wetter und Gelände, evtl. Anpassung der Flugaufgabe etc.). Wichtig ist für mich dabei, immer absolut auf das Ziel (= Vollendung der gewählten Aufgabe) fokussiert zu bleiben und nach einer individuellen Entscheidung diese konsequent durchzuziehen. Sollten Entscheidungen sich nachträglich nicht als beste Wahl herausstellen (z.B. Zeitverlust bei falscher Flugtaktik), versuche ich, nicht zu lange darüber nachzudenken und positiv eingestellt zu bleiben. Was mir dabei besonders hilft, ist das gedankliche Abrufen einer bestimmten Szene, die ich mir immer wieder vergegenwärtige: nämlich die intensive, mit Fliegerkameraden geteilte Freude und Genugtuung beim Einlanden nach der (fiktiven) Vollendung der Tagesaufgabe. Natürlich hilft es, wenn man das schon real erlebt und sich das im Gedächtnis eingebrannt hat. Es kann aber auch nur in der Vorstellung sein.

3. Nein.

Robert Schaller (Deutschland)

1. Nicht wirklich. „Fluggeil” ist ohnehin Dauerzustand bei mir.

2. Ich versuche während des Fliegens in einen mentalen Zustand zu gelangen, den Psychologen als „Flow” bezeichnen. Dann läuft alles wie von selbst. Flow ist für mich das Gefühl, wenn ich nach 20 Uhr die allerletzte Thermik des Tages ausgedreht habe, mehr als sieben Stunden Flug hinter mir liegen, das dreistellige FAI-Dreieck ist zugemacht und ich denke mir im Landeanflug auf ein in Schatten getauchtes Tal „jetzt noch ein Stündchen entspanntes Soaren – so „just for fun“ – um abzuschalten. Das wäre doch eine prima Idee.”

3. Nein.

Vladimir Svorcan (Serbien)

1. Es kommt darauf an. Besonders in Wettbewerben ist eine mentale Vorbereitung sehr wichtig. Die Grundeinstellung ist extrem wichtig. Nur wenn du dich wie ein Gewinner fühlst, kannst du auch gewinnen. Wenn ich zum Spaß fliege, plane ich gar nichts. Ich folge meiner Lust.

2. Wenn ich unterwegs mal eine Baustelle habe und nicht vorwärts komme, befreie ich mich mental davon, in dem ich entweder laut fluche oder auch ein Gebet spreche. Das lenkt mich von meiner momentanen Situation kurz ab und gibt mir wieder Zuversicht. Ich fliege dann sehr geduldig und drehe auch im allerschwächsten Steigen. Irgendwann zieht dann doch mal ein Bart durch, du kommst wieder hoch – und genauso auch dein Spirit.

3. Nein, nicht wirklich. Aber meine Mutter und die Bürokratie in Serbien haben mich eines gelernt: Geduld! Das hilft auch beim Fliegen. Nie den Glauben verlieren, irgendwie geht es schon…

Hans ter Maat (Niederlande)

Sehr wichtig! Basis ist die technische Vorbereitung am Tag zuvor: Ausrüstung, Wetter, Strecke, Essen, Abholung usw. Und dann fliege ich meine Strecke im Kopf ab. Ich erlebe in der Theorie jede denkbare Situation. Tritt sie tatsächlich ein, gibt es – vermutlich – kaum Überraschungen. Ich sorge vor allem für einen freien Kopf, um keine Energie zu vergeuden. So kann ich mich viel besser auf den Flug konzentrieren und oben bleiben. Alles, was von vorne lässig aussieht, wurde von hinten gut organisiert (ein Leitspruch von mir). Erst gute Vorbereitung ermöglicht schön zu fliegen und zu genießen.

Hans Tockner (Österreich)

1. Die mentale Vorbereitung entscheidet aus meiner Sicht letztendlich über Erfolg oder Nichterfolg. Schließlich spielt sich das Streckenfliegen zu 100 % im Kopf ab. Ich denke mich vor einem Flug in alle möglichen Situationen hinein, die mich erwarten können und überlege mir mögliche Szenarien und wie ich am besten darauf reagieren soll. Schließlich darf man über Stunden keinen entscheidenden Fehler machen. Daher ist man besser auf kritische Situationen vorbereitet und hat einen Plan bzw. Plan B im Kopf.

2. Beim Fliegen teile ich mir die Abschnitte der Flugroute in Phasen ein, wo schon vorab immer ein Teilziel definiert wird (z.B. zu Beginn ruhig bleiben und mal abchecken, was der Tag hergeben kann). Wenn dann ein Abschnitt beendet ist, reflektiere ich wie es lief und nehme das nächste Teilstück in Angriff. Vor Schlüsselstellen stelle ich mich vorab auf mögliche Probleme bzw. Schwierigkeiten ein, um nicht im Fall des Falles die Nerven zu verlieren bzw. überhastet Fehler zu machen. Aber das Allerwichtigste: Wenn gerade keine wichtige Entscheidung ansteht und es gut dahingeht, genieße ich unseren genialen Sport und die Landschaft in vollen Zügen. Genau dafür gehen wir ja fliegen! Wenn’s wieder haarig wird, bin ich wieder voll fit im Kopf.

3. Nein.

Yvonne Dathe fliegt in der Deutschen Nationalmannschaft, gehört zum NOVA Pilots Team und ist ausgebildete Mental-Trainerin. www.winmental.de Wir haben die Verfasserin des Buchs „Aufwind im Kopf“ zu ihren Trainings befragt.

Yvonne, Du bist von Hause aus Diplom-Betriebswirtin. Wie kamst Du dazu, noch eine Ausbildung zur Mental-Trainerin zu machen?

Das Mentale Training begleitet mich schon seit über 15 Jahren. Angefangen hat alles in meiner Jugend, als ich noch in einem Leichtathletikverein als Läuferin aktiv war. Mein damaliger Trainer baute das Mentale Training  ganz selbstverständlich mit in das Training ein. Viele dieser Methoden wende ich auch heute noch an. 2010 wurde eine Mental-Trainer-Ausbildung in Reutte angeboten. Da mich das Thema nicht mehr losgelassen hatte, packte ich die Gelegenheit beim Schopfe und absolvierte die Ausbildung. Zeitgleich hatte ich in der Luft einen Zusammenstoß mit einem anderen Gleitschirmpiloten. Die Ausbildung und die dort gelernten Techniken haben mir sehr geholfen, dieses Erlebnis schneller zu verarbeiten.

Wer ist der typische Teilnehmer eines Mental-Trainings für Gleitschirmflieger?

Das ist eine schwierige Frage. In meinen Trainings sind Teilnehmer mit ganz unterschiedlichen Hintergründen und Zielsetzungen. Ich habe sowohl Anfänger (die zum Teil noch nicht einmal ihre Ausbildung beendet haben), aber auch Viel- und Streckenflieger, die ihr Leistungsniveau steigern möchten.

Was können die Teilnehmer von Deinen Workshops erwarten?

Ich versuche ganz gezielt auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen einzugehen. Daher sind die Kurse auch auf maximal zwölf Teilnehmer begrenzt. Zunächst erarbeiten wir für jeden sein individuelles Ziel, das ihn fliegerisch tatsächlich weiterbringt. Das ist die schwierigste Phase. So einfach wie es sich anhört „ein Ziel zu setzen” ist es nämlich nicht. Hier können eine Menge Fehler gemacht werden. Ich habe dafür das FLIEGER-Modell entwickelt:

F = Fokus auf ein Ziel

L = Lust & Leidenschaft für das Ziel

I = ICH-Position (muss unter eigenen Kontrolle sein)

E = Eindeutig positiv

G = Gegenwart

E = Ethisch einwandfrei

R = Realistisch/unrealistisch: langfristige Ziele dürfen unrealistisch sein, kurz-/mittelfristige Ziele müssen realistisch sein.

Anschließend werden innere und äußere Ressourcen aufgebaut, damit jeder sein persönliches Ziel erreichen kann. Ich stelle verschiedene Ressourcen vor, die jeder für sich anwenden kann. Auf welche man später tatsächlich zurückgreift, entscheidet jeder selbst. Ich liefere sozusagen den Werkzeugkasten, mit dem die Teilnehmer später arbeiten können. Selbstverständlich sprechen wir über verschiedene Situationen und wie diese gelöst werden können. Jeder Teilnehmer erarbeitet für sich Handlungspläne. Der Handlungsplan hilft dabei, sich in schwierigen Situationen zurecht zu finden. Das gibt Sicherheit und unterstützt die Piloten dabei, gelassen und ruhig agieren zu können.

Gehen die Teilnehmer anschließend glücklich nach Hause?

Da lasse ich lieber meine Teilnehmer sprechen und verweise auf meine Website http://www.winmental.de/coaching/referenzen.html.

Du verdienst Geld mit Deinen Trainings. Da wirst Du natürlich sagen, dass sie supergut sind und jeder Pilot teilnehmen soll. Aber ganz ehrlich: Was kann so ein Training nicht? Wo liegen die Grenzen? Gibt es Leute, denen es partout nichts bringt?

Wenn jemand glaubt, das sei alles Blödsinn, dann sollte er sich das Geld lieber sparen und sich anderweitig Unterstützung suchen. Für ihn ist das dann auch Blödsinn. Zumindest eine neutrale Grundeinstellung zum Training ist notwendig, damit die Techniken auch funktionieren. Ansonsten bringt es, denke ich, jedem etwas. Egal, ob jemand seine Ängste oder Nervosität überwinden, sein Leistungsniveau optimieren, besser mit Stress-Situationen umgehen oder einfach nur entspannter mit mehr Freude fliegen möchte. Sogar Fluglehrer haben mir schon bestätigt, dass ihnen das Mentale Training in ihrer täglichen Arbeit mit Flugschülern weitergeholfen hat.

Das Mentale Training kann das reale Fliegen natürlich nicht ersetzen. Aber es ist eine gute Ergänzung, um noch besser mit den Anforderungen des Fliegens zurecht zu kommen. Außerdem kann mit Hilfe des Mentalen Trainings die Trainingszeit erhöht werden. Das ist gerade in unseren Breiten, wo es oft regnet oder windet ein entscheidender Faktor. Mental können verschiedenste Situationen geübt werden und hinterlassen im Gehirn ähnliche Spuren als wenn real geflogen würde.