Am 16. August 2014 machte sich unser Junior-Team-Pilot Robert Schaller, inspiriert durch Toni Benders Film “Glücklicher Ikarus”, auf die Alpen von Nord nach Süd zu überqueren. In den kommenden drei Tagen wollte er nur mit Thermik und Muskelkraft vom bayrischen Osterfelderkopf bei Garmisch-Patenkirchen bis zum bekannten Flieger-Hotspot nahe der italienischen Stadt Bassano del Grappa kommen. Mit dabei war natürlich unser neuer Leichtschirm Mentor3light. In Form eines Pilotenkommentars berichtet er hier und auf dem DHV-Streckenflugserver über seine Erlebnisse:
Tag 1 – Flug 1: (Link zum Flug)
Viel Restfeuchte, hohe Sonneneinstrahlung und hohe Labilität – das sorgt für Spaß und Spannung in der Luft. Früh morgens mit dem Bus aus München angereist und die Bahn auf den Osterfelder genommen. Von hier sollte sie losgehen meine Ikarus-Route nach Bassano.
Eigentlich habe ich gehofft über Zugspitzplatt und Gatterl direkt in den Ehrwalder Kessel springen zu können, aber mit einer Basis unterhalb der Alpspitze ist das hoffnungslos. Daher habe ich mich nach geraumer Höhenmaximierung am Osterfelder für den Talsprung entschieden. Die andere Seite stand gut in der Sonne, aber auch im Talwind und ich kam selbstverständlich tief an. Nach einigem Probieren in sehr heftigen Blasen fand ich schließlich einen kleinen windgeschützten Bereich, der das Aufsoaren und schließlich über Grat das drehen ermöglichte. Von hier aus kannte ich die Route bis Inntal und die Wolken zeigten, wenn auch tiefer als mir lieb, den Weg klar und deutlich. (Randnotiz: Mein Lieblings-sch***-berg Grubigstein macht auch heute seinem Ruf wieder alle Ehre :-P )
Am Sinnesjoch hoch genug weg um am Tschirgant über Grat anzukommen war nicht möglich, also außenherum und dann ab ins Ötztal. Hier war ich zwar noch nie, aber kompliziert zu fliegen ist es hier ja auch nicht und da die Basis endlich über 3000m kletterte, kein großeses Problem. Das Ötztal war auch der einzige Abschnitt der ganzen Alpenüberquerung auf dem ich ein paar andere Schirme auf Streckenflug gesehen habe.
Am Ende des Ötztals angekommen entschied ich mich für eine Zwischenlandung. Die Batterien meines Varios waren leer, meine neue Gurtzeugmodifikation für das zusätzliches Gepäck war noch nicht optimal eingestellt und drückte schon den ganzen Flug und Essen wollte ich auch in Ruhe etwas. So eine Zwischenlandung ist eine echt tolle Sache, wenn man es mal nicht nötig hat auf die XC-Punkte zu schauen.
Tag 1 – Flug 2: (Link zum Flug)
Nach fast zwei Stunden Pause entschied ich mich die Nacht nicht hier zu verbringen und nochmal ein Stück weiter zu fliegen. Schon ein Blick auf das Höhenprofil des Fluges verrät, dass hier etwas komisch war. Nirgends ging es wirklich rauf oder runter. Der Nordwind hatte mittlerweile ordentlich zugelegt und zerriss jegliche Thermik. Der Höhengewinn glich eher einem Soaren am Hauptkamm und die Schneefelder schickten die ein oder andere ungemütliche Blase nach oben.
Bei diesen Bedingungen den Hauptkamm queren und in das vermutliche Lee dahinter einfliegen – ist das eine wirklich gute Idee? Sehr langsam und vorsichtig tastete ich mich an das Timmelsjoch heran, welches den Übergang zu Italien markiert, immer bereit den Flug augenblicklich abzubrechen und irgendwo auf freier Fläche aufzusetzen.
Schließlich entschied ich mich es doch zu machen. An der Stelle wo ich die geringste Windgeschwindigkeit vermutete, setzte ich über den Hauptkamm. Das befürchtete Lee beschränkte sich auf einen wirklich kleinen Bereich direkt hinter der Kette, danach fand ich ein fast windstilles Tal vor. Schon von weitem grüßte mich die Fahne der Mooser Hochalm und ich beschloss spontan dort zu landen und zu übernachten.
Tag 2 – Flug 3: (Link zum Flug)
Am Morgen war erst mal ein gutes Stück wandern angesagt. Der überregionale Nordwind machte sich im Passeier Tal als Ostwind bemerkbar und blies Thermik an der Kette entlang. Gleichzeitig drückte er die Wolken über Grat Richtung Süden was große Abschattungen am Hang zur Folge hatte. Absaufrisiko hoch.
Die Situation besserte sich erst gegen 13 Uhr als endlich der Meraner Talwind durchkam. trotzdem musste ich lange am Hang suchen gehen. Exakt über dem Wanderweg, den Max und Steve uns 2012 beim Nova X-Alps Camp hochgejagt hatten, fand ich den rettenden Bart. Erst zaghaft, dann richtig schön ging es mit Aussicht auf die Passstraße (und die Touries die diese bevölkerten) nach oben. Der anstrengendste Teil des Fluges war geschafft.
Von hier ging es mit komfortablen Reisehöhen oberhalb von 3000m auf direktem Weg durch Sarntal und Grödnertal Richtung Dolomiten. Über Feldthurns, das mir schon öfter Basisstation für große Dreiecke war. Vorbei am Schlern, wo ich zum ersten mal wirklich Thermik geflogen war. Über die Seceda, den Ort wo ich beim letzten
Teammeeting zum ersten mal den Mentor3light in die Hand bekommen habe. Vorbei an Sella Gruppe, Marmolata, Rosengarten und schließlich über den Passo Rolle – alles mit der spielerischen Leichtigkeit feinster Hochsommerthermik. Der Flug ist sicher von den Zahlen unspektakulär, aber von der Landschaft und Aussicht rekordverdächtig.
Gelandet bin ich dann (mit drei Anläufen) gegen halb 6 auf einer Almwiese mitten in einer italienischen Kinderfreizeit. Auch war in unmittelbarer Nähe wieder eine Berghütte, was sich als sehr glücklicher Zufall herausstellte. Kaum hatte ich meinen Schirm zusammengepackt und mich in der Rifugio Vederna zum Abendessen niedergelassen, brach draußen ein richtig schönes Sommer-Berg-Gewitter los. Zwar hatte ich die nötige Biwak-Ausrüstung schon dabei, um so eine Nacht auch unter freiem Himmel zu überstehen, aber in der Hütte war es zweifellos angenehmer.
Tag 3 – Flug 4: (Link zum Flug)
Der Tag startete mit dem steilen Aufstieg zum Monte Pavione. Die Zeichen des nächtlichen Gewitters in Form von Hagel am Wegrand und einem nassen Startplatz, nicht zu übersehen. Das verhieß nichts Gutes für die Thermik und die Aussicht nach Bassano fliegen zu können.
Und genauso kam es dann auch. Über dem Startplatz ging es zäh bis zur Basis. Der Monte Avena bei Feltre ließ sich eine halbe Stunde betteln und rückte dann widerwillig einen Bart bis zur Basis auf 1800m raus. Ich beschloss das mitzunehmen, damit so weit wie möglich in eines der Täler auf der Rückseite des Monte Grappa hineinzufliegen und den Rest bis zum Gipfel zu laufen. (Randnotiz: Die Landewiese dort war sicher eine der kleinsten meiner Flugkarriere)
Tag 3 – Flug 5: (Link zum Flug)
Nach weiteren 5 Stunden Aufstieg und am definitiven Ende meiner Kräfte kam ich pünktlich zum Sonnenuntergang am Gipfel des Mt. Grappa an. Es galt keine Zeit zu verlieren und das VFR-Zeitfenster bis sunset+30′ voll auszunutzen ;-)
Mit einem letzten Sprint brachte ich den Schirm in die Luft. Die Gleitzahl reichte exakt aus um die zwei kleinen Bergrücken unterhalb meines gewählten Startplatzes zu überwinden. Danach öffnete sich das Gelände und gab den Blick auf die dämmrige Po-Ebene frei. Unter mir waren die Straßenzüge schon von den Laternen erleuchtet und die Autos krochen sie wie Glühwürmchen entlang.
So einen Blick kannte ich bisher nur aus dem Passagierflugzeug, aber der angenehm warme Wind, der um meine Nase strich, verriet, diesmal war ich selbst der Pilot . Unglaublich schön und der perfekte Abschluss für meiner Alpenüberquerung.
Eine Initialienzeichung (okay am R muss ich noch ein bisschen üben :-D) und eine Runde um den beleuchteten Kirchturm später setzte ich in Semonzo del Grappa auf, packte zufrieden meinen Schirm ein und bestellte eine große Pizza in der Abbazia ;-)
Das war sie, die Geschichte, wie ich in 3 Tagen und 5 Flügen von den bayrischen Alpen an den italienischen Alpenrand geflogen bin.
Till Gottbrath
Aug 15, 2014 -
WOW – noch ein richtig schöne Geschichte im Team-Blog. Fein geflogen Robert, schön geschrieben.
Danke Robert!
Hans ter Maat
Aug 17, 2014 -
Toller flugurlaub, erinert mich an der gluckliche icarus.
Vera Polaschegg
Aug 18, 2014 -
das klingt nach einem richtig tollem Abenteuer, Respekt!
LG, Vera
werner
Aug 18, 2014 -
sehr lässig sache!